Reisefoto des Monats: „Theyyam – Feuergott“

„Reisefoto des Quartals“?

Zunächst einmal bitte ich um Entschuldigung, dass ich so lange kein „Reisefoto des Monats“ veröffentlicht habe. Mir fehlte einfach die Zeit – und vor allem auch die Muße, mich diesem Thema zu widmen. Ich gelobe aber Besserung und werde – quasi als Entschädigung – das nächste „Reisefoto des Monats“ bereits in Kürze veröffentlichen. Also schneller, als in einen Monat. Reisefotografie ist eben ein „unstetes Geschäft“! 😉

Die Lang-Fassung

Als “Reisefoto des Monats” habe ich diesmal ein Foto von der letzten Fotoreise in Kerala, Südindien gewählt. Im Norden dieses Bundesstaates (und im Süden des angrenzenden Karnataka) gibt es diese sehr speziellen Hindu-Feste namens „Theyyam“. Dabei verwandeln sich Menschen einer (niedrigen) Kaste temporär in „lebende Götter“. Es sind aufwändige Rituale und teils atemberaubende Erlebnisse, wenn man dabei ist. Denn bei einigen dieser „Theyyams“ geschehen unglaubliche Dinge, wie z.B. dass diese lebenden Götter (immer wieder) durch lodernde Feuer rennen! Als ich es 2015 das erste Mal erlebt habe, fühlte ich mich, wie Indiana Jones. Es gibt sehr viele verschiedene Formen von Theyyams und man muss gut vernetzt sein, um zu wissen, wo und wann die „spektakulären“ Feuer-Theyyams stattfinden. Meist ist das mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden irgendwo in einem kleinen Dorf.

Nichts für „Weicheier“

Bei diesen Events ein gutes Foto zu machen, ist durchaus anspruchsvoll. Zum einen muss man natürlich – ich werde ja nicht müde, das zu sagen, – zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Bei den Feuer-Theyyams trifft das im doppelten Sinne zu, weil es auch noch wichtig ist, wo (genau) man sich vor Ort einen Platz sucht. Und dass man früh genug da ist, um solch einen Platz zu bekommen. Dann darf man wirklich kein „Angsthase“ sein, denn wenn die „lebenden Götter“ anfangen, sich in Ekstase zu versetzen, hat das ganze etwas bedrohliches. Wenn es los geht, kann es schon mal sein, dass der „Gott“ herum wütet und dabei glühende Kohlen in Richtung der Menge schleudert! Das Theyyam, bei dem dieses Foto entstanden ist, war wirklich spektakulär. Aber, ich habe auch jede Menge Adrenalin produziert. Zwischenzeitlich hatte ich Angst um mein Equipment, weil das Feuer so groß und heiß wurde und – ich gebe es zu, ich hatte auch ein wenig Angst um mich selbst, weil der „Gott“ so wütend und unberechenbar wirkte! Aber letztlich war es eins dieser unvergesslichen Reise-Erlebnisse, für die es sich (wenigstens aus meiner Sicht) lohnt, ein gewisses Risiko einzugehen. 😉

Was macht die Aufnahme fotografisch so anspruchsvoll?

Die Lichtverhältnisse einer solchen Szene sind eine Herausforderung für jeden Kamera-Sensor, da der Dynamik-Umfang enorm ist. Das bedeutet, von Tiefschwarz (Hintergrund) bis Hellweiss (Feuer) ist alles dabei. Hinzu kommt, dass sich diese Lichtverhältnisse auch noch ständig ändern, weil das Feuer mal lodert und damit sehr hell wird, mal weniger intensiv brennt, und diese Szene damit sehr wenig Licht bekommt. Es besteht also sowohl die Gefahr, dass man sein Bild unterbelichtet und damit die Tiefen absaufen – späteres Aufhellen, wenn überhaupt noch möglich, bringt automatisch viel Rauschen mit sich. Oder, dass die Lichter ausreißen, und damit die Flammen des Feuers nur noch weiss sind und keine Struktur mehr aufweisen. Quasi als i-Tüpfelchen kommt dann dazu, dass sich der „Gott“ auch noch schnell bewegt, d.h. man braucht kurze Verschlusszeiten, um ihn scharf abzulichten! Das ganze erfordert einige Überlegungen (im Grunde schon eine „Strategie“) im Vorfeld.

Um einen maximalen Dynamik-Umfang zu bekommen, entschied ich mich für meine Nikon D850, die in dieser Hinsicht hervorragende Arbeit leistet. In Sachen Objektiv fiel meine Wahl auf die Festbrennweite 35mm f/1.4, da mir zum einen die Brennweite ermöglicht, genug Umgebung / Kontext ins Bild zu bringen. Zum anderen ist f/1.4 wirklich lichtstark und ermöglicht damit auch bei (sehr) wenig Licht noch relativ kurze Verschlusszeiten, ohne dass der ISO-Wert komplett durch die Decke geht. Die „Downside“ bei Blenden, wie f/1.4 ist die sehr geringe Tiefenschärfe. Sitzt der Fokus nicht 100% dort, wo man ihn haben will, kann man die Bilder meist vergessen. Und da der „Gott“ ja zunächst auf der anderen Seite des Feuers ist, hat die Kamera auch nur Sekundenbruchteile, um zu fokussieren, wenn das Gesicht dann im/über dem Feuer erscheint. Ich entschied mich daher für den „Kontinuierlichen Autofokus“ (AF-C), den ich auf den AF-Button auf der Rückseite meiner Kamera programmiert hatte, und setzte auf die Messfeld-Gruppensteuerung. Bei dieser Funktion nutzt die Kamera für die Scharfeinstellung eine vom Benutzer gewählte Gruppe von Fokusmessfeldern, wodurch das Risiko abnimmt, dass auf den Hintergrund anstatt auf das Hauptobjekt fokussiert wird.

Last but not least stellte ich meine Kamera noch auf schnelle Auslösung und sobald der „Gott“ anfing durch das Feuer auf mich zu zu rennen und nur ansatzweise sichtbar wurde, fing ich an, in schneller Folge auszulösen. Dabei entstehen natürlich (sehr) viele Bilder. Das macht aber nichts, da es letztlich darum geht, das eine Bild dabei zu haben! Tatsächlich sind sogar mehrere gute Bilder entstanden, sodass mir die Auswahl für diese Rubrik gar nicht so einfach fiel!

Meine „Belichtungsstrategie“ sah so aus:

Ich machte ein paar Probeaufnahmen, bevor es los ging und schaute mir das Histogramm an. Dann stellte ich die Belichtung so ein, dass eine Überlichtung mit ausgefressenen Lichtern am unwahrscheinlichsten wäre. (1/500 Sek. mit Blende f/1.8 und ISO-Automatik bei einer Belichtungskorrektur von + 0,33). Denn, ich wollte auf keinenFall die Zeichnung im Feuer verlieren. Lieber riskierte ich, dass Bilder unterbelichtet wären und ich die Tiefen (zu Lasten von Rauschen) später aufhellen konnte. Diese Strategie stellte sich als „richtig“ heraus.

Der „Bildersteckbrief“ (Die Kurzform für Eilige)

Wann und wo entstanden?

  • 29. Februar 2020
  • Theyyam-Fest in Kerala, Südindien

Warum ausgesucht?

  • Aktualität
  • Spannende Herausforderung – viel zu lernen
  • Dramatik

Die Technischen Details des Fotos

2 Replies to “Reisefoto des Monats: „Theyyam – Feuergott“”

  1. Adrenalin pur!

    Ich war dabei. Und zwar direkt neben Thorge als diese Aufnahme entstand. Das, was man mit eigenen Augen sieht, will der Verstand nicht akzeptieren. Man ist hin und hergerissen zwischen Faszination, Ehrfurcht (der Gott hatte mich zuvor so richtig ins Hallo gestellt) und auch Angst. Angst, weil glühende Kohlen auf die nackten Füße fallen, Angst vor einer schier unerträglichen Hitze und dem Wissen, dass man überhaupt keine Möglichkeit mehr hat, seinen Platz zu verlassen. Seit dieser Nacht weiß ich, was das Foto-Equipment aushält und was ich selbst aushalte.

    Und letztendlich haben wir unglaubliche Fotos mit nach Hause gebracht, die die Erinnerung an diese Nacht sofort wieder lebendig machen. Eine „once-in-a-lifetime-Erfahrung“ und ich bin Thorge sehr dankbar, dass er sie uns so nahe gebracht hat.

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