Was sind die besten Objektive für die Reisefotografie?

Das hängt davon ab …

Eine Antwort, die man sich auf diese Frage, was die besten Objektive für Reisefotografie sind, vielleicht nicht wünscht lautet „Das hängt davon ab …“. Dennoch ist sie aus meiner Sicht notwendig, da es eine ganze Reihe Aspekte gibt, die hier eine Rolle spielen.

Objektivwahl bedeutet, Gewicht vs. Qualität / Möglichkeiten

Die erste wichtige Frage lautet eigentlich „Was ist mir wichtig?“. Wenn an aller erster Stelle steht, dass ich möglichst wenig schleppen und gleichzeitig in Sachen Brennweite möglichst flexibel sein will, ist die Frage recht schnell beantwortet: Kaufen Sie sich ein Reise-Zoomobjektiv mit variabler Brennweite und variabler Blende. Z.B. 18-200mm (oder mehr) f/3.5 – 5.6 für Kameras mit „Crop-Sensor“ oder 28-300mm f/3.5 – 5.6 für Vollformat-Kameras.

Für Reise-Zoomobjektive spricht

  • „Ein Objektiv für alles“
  • Der (vergleichsweise) geringe Preis
  • Das (vergleichsweise) geringe Gewicht
  • Der große Brennweitenbereich (von Weitwinkel bis Tele ist alles inklusive)
  • Kein Objektivwechsel notwendig, daher auch kein Staub auf dem Sensor zu befürchten
  • Eine einfache „Handhabung“

Gegen Reise-Zoomobjektive spricht

  • Die Bildqualität (z.B. Schärfe) ist u.U. geringer, als bei anderen Objektiven
  • Sie sind nicht besonders „lichtstark“ – d.h., selbst die „offenste Blende“ ist i.d.R. höchstens f/3.5, und es gibt starke Limitierungen durch die variable Blende
  • Die variable Blende = das Objektiv kann nur im Weitwinkelbereich die max. Blendenöffnung nutzen (z.B. f/3.5) und muss die Blende immer weiter schließen, je mehr man Richtung Telebereich zoomt (z.B. bis f/5.6 oder sogar f/6.3). Das bedeutet, es kommt immer weniger Licht auf den Sensor. Und das führt dazu, dass die Belichtungszeiten länger werden, die Gefahr Bilder zu „verwackeln“ steigt also. Oder der ISO-Wert muss entsprechend hoch gezogen werden, damit die Belichtungszeit akzeptabel bleibt. Das wiederum führt jedoch zu geringerer Bildqualität (Bildrauschen und mangelnde Schärfe).

Fazit zu den „Reise-Zoomobjektiven“

Reise-Zooms“ sind eine gute Option, wenn ich vor allem wenig schleppen, aber möglichst flexibel bei der Brennweite sein will. Mir muss klar sein, dass ein solches „Reise-Zoom“ gutes Licht braucht, damit die Bilder nicht verwackeln oder durch einen hohen ISO-Wert an Bildqualität verlieren. Bei geringem Licht stoßen diese Objektive relativ schnell an ihre Grenzen. Auch die gestalterischen Möglichkeiten sind beschränkt, da die offenste Blende (f/3.5) nur im Weitwinkelbereich zur Verfügung steht, und daher geringe Tiefenschärfe nur durch (sehr) viel Tele zu erreichen ist.

Eine mögliche Kombination: Reise-Zoomobjektiv + 50mm Festbrennweite

Ich habe schon oft Teilnehmern in meiner Fotoworkshops und Fotoreisen vorgeschlagen, ihr Reise-Zoom durch ein weiteres Objektiv zu ergänzen, nämlich eine „Festbrennweite“, z.B. mit 50mm.

Für eine Kombination aus Reise-Zoom und Festbrennweite spricht

  • Sie sind sehr lichtstark! Die meisten Hersteller bieten 50mm Objektive mit max. Blende f/1.8 an. Die große „Offenblende“ von f/1.8 ermöglicht auch bei (sehr) wenig Licht noch gute Aufnahmen zu machen!
  • Sie sind relativ preiswert zu haben.
  • Sie sind klein und leicht.
  • Sie verfügen über eine gute Bildqualität und sind i.d.R. sehr scharf.
  • Sie erlauben gestalterische Möglichkeiten durch geringe Tiefenschärfe und „Bokeh“.
  • Man muss „mit den Füßen zoomen“, um den Bildausschnitt zu verändern, was zu völlig neuen Bildern führt!

Gegen eine Kombination aus Reise-Zoom und Festbrennweite spricht

  • Etwas mehr Kosten und Gewicht.
  • Man hat ein zweites Objektiv, muss also ggf. wechseln und bekommt so u.U. Staub auf den Bildsensor.
  • Da man mit einer Festbrennweite „anders fotografiert“, braucht es evtl. etwas Zeit, sich darauf einzustellen.

Fazit zur Ergänzung eines Reise-Zooms durch eine Festbrennweite

Es ist auf jeden Fall eine gute Option und lohnt sich auszuprobieren! Ggf, können Sie auch schauen, ob Sie sich erst einmal eine gebrauchte Festbrennweite zulegen.

Was, wenn ich mehr will / andere Ansprüche habe?

Soll ich nur Festbrennweiten nutzen?

Was ist die Alternative zu den Reise-Zooms? Zum einen gäbe es die Möglichkeit, verschiedene Brennweitenbereiche mit unterschiedlichen Festbrennweiten abzudecken. Allerdings würde das bedeuten, dass man u.U. wirklich eine Menge Objektive mitschleppt …, z.B.:

  • 24mm / 35mm / 50mm / 85mm / 105mm / 200mm …

Dafür, sich auf Festbrennweiten zu konzentrieren spricht

  • Die hervorragende Bildqualität.
  • Sie sind sehr lichtstark!
  • Man hat hervorragende gestalterische Möglichkeiten durch geringe Tiefenschärfe und „Bokeh
  • Sie werden „bewussterer Fotografieren“ – Durch die Reduktion der Möglichkeiten entscheidet man sich bewusst für eine Brennweite und muss sich bewegen, um den Bildausschnitt zu verändern!

Gegen die Option, nur Festbrennweiten zu nutzen, spricht

  • Man braucht ggf. (sehr) viele verschiedene Objektive, um entsprechende Brennweitenbereiche abzudecken. Und „Zwischenbrennweiten“ fehlen dann immer noch.
  • Es sind ggf. vielE Objektivwechsel notwendig. D.h., die Gefahr ist groß, viel Staub auf den Sensor zu bekommen.
  • In Summe werden sich viele Festbrennweiten auch im Gewicht Niederschlagen.
  • Einige Festbrennweiten sind günstig, wie das 50mm, andere jedoch auch z.T. auch sehr teuer!

Zoom-Objektive mit durchgängiger Blende

Alternativ könnte man auf Zoom-Objektive setzen, die nicht über eine variable, sondern über eine durchgängige Blende verfügen. Beispiele dafür sind:

  • 14-24mm f/2.8
  • 16-35mm f/4
  • 24-70mm f/2.8
  • 70-200mm f/2.8
  • 200-400mm f/4

Für Zoom-Objektive mit durchgängiger Blende spricht

  • Sie haben i.d.R. eine sehr gute Bildqualität.
  • Sie sind (mit Blende f/2.8) auch über ihren kompletten Brennweitenbereich sehr lichtstark.
  • Man hat also sehr gute gestalterische Möglichkeiten durch geringe Tiefenschärfe und „Bokeh“.
  • Ein Objektivwechsel ist weniger häufig nötig.

Gegen Zoom-Objektive mit durchgängiger Blende spricht

  • Sie sind ggf. (sehr) teuer!
  • Sie sind z.T. (sehr) schwer.
  • Der Zoom-Bereich ist immer eingeschränkt. D..h. man braucht mehrere Objektive, will man einen größeren Brennweitenbereich abdecken.

Wie mache ich es? Eine Kombination …

Für meine Art zu fotografieren hat sich, im Laufe der Jahre, eine Kombination aus Festbrennweiten und Zoom-Objektiven mit durchgängiger Blende als beste Option heraus gestellt. Welche Kombinationen das sind, ist u.a. davon abhängig, was ich zu fotografieren plane. Folgende Zooms habe ich fast immer dabei:

  • 16-35mm f/4 – Dieses Objektiv schätze ich für Architektur und Landschaftsaufnahmen.
  • 24-70mm f/2.8 – Dieses Objektiv ist mein „immer drauf Objektiv“ für den Normalfall.
  • 70-200mm f/2.8 – Dieses Objektiv schätze ich, wenn ich an Motive nicht nah heran kommen kann oder Menschen aus der Distanz fotografieren will.

Je nach dem, was ich sonst zu fotografieren plane, nehme ich dann noch entsprechende Festbrennweiten mit:

  • 35mm f/1.4 – Dieses Objektiv habe ich fast immer dabei, da ich diese „Reportage-Brennweite“ und die große Lichtstärke des Objektivs liebe, die mir durch geringe Tiefenschärfe bei Offenblende auch gestalterisch viele Möglichkeiten bietet.
  • 85mm f/1.4 – Mein „Lieblings-Porträtobjektiv“ ist ebenfalls meistens dabei, wenn ich erwarte viele Porträts zu machen.
  • 24mm f/1.4 – Dieses Objektiv nehme ich mit, wenn ich erwarte, nachts zu fotografieren (z.B. den Sternenhimmel) oder bei wenig Licht Weitwinkelaufnahmen machen möchte.
  • 50mm f/1.4 – Das 50mm-Objektiv ist für mich ein Kompromiss aus 35mm und 85mm. Ich bevorzuge die beiden anderen Brennweiten und nehme das 50er nur, wenn ich die anderen beiden aus Gewichtsgründen zu Hause lasse.

Mal nur Festbrennweite – eine besondere Erfahrung

Eine „besondere Erfahrung“ war für mich, als ich mich einmal gezwungen habe, in Kerala (Südindien) nur mit meiner 35mm Festbrennweite fotografieren zu gehen. Darüber habe ich einen ausführlichen Artikel für den Fotoespresso geschrieben. Sie finden ihn unter dem Titel „35 mm auf Reisen – Mut zur Festbrennweite“ in Ausgabe 2017/02 (6 Seiten ab Seite 45). Hier geht’s zum kostenlosen Download des Artikels …

Wie machen Sie es?

Ich freue mich über Feedback und eine angeregte Diskussion! Schreiben Sie mir, was Ihre Wahl ist und warum und welche Erfahrungen Sie damit gemacht haben. Oder stellen Sie mir Ihre Fragen. Ich freue mich darauf …

6 Replies to “Was sind die besten Objektive für die Reisefotografie?”

  1. Hallo, ich informiere mich gerade bezüglich Reisefotografie und bin per Zufall auf die Internetseite gestoßen. Eine sehr interessante Seite und ich überlege gerade, eventuell an einen Workshop teilzunehmen. Aber das ist ein anderes Thema.

    Nachdem ich zuerst mit meiner Sony NEX-7 und dem Reisezoom 18-200mm unterwegs war, bin ich jetzt auf Vollformat umgestiegen (A7R IV). Aus Budgetgründen habe ich mich zunächst für das Allrounder 24-70mm f2.8 entschieden. Die A7R IV hat den Vorteil, dass der Sensor im APS-C Modus noch 24MP bereitstellt. In sofern nutze ich das auf Reisen häufig aus und komme so auf max. 105mm. Mit dieser Kombination bin ich eigentlich sehr zufrieden. Jetzt überlege ich, mir entweder das Telezoom 70-200mm f2.8 oder Festbrennweite 135mm f1.8 (oder doch lieber ein 85mm für Portraits) zu kaufen. Wahrscheinlich werde ich bei dem Telezoom landen, da ich damit flexibler unterwegs bin
    .
    Die Kombination aus NEX-7 und 18-200mm hatte den Vorteil, dass diese Kombination noch relativ klein und leicht war (auch wenn das Objektiv mehr wiegt als der Body). Das Freistellen ist mit einem Reisezoom deutlich schwieriger und auch die Lichtstärke habe ich persönlich als Nachteil empfunden. In sofern trifft es der Satz „Das hängt davon ab …“ ganz gut. Jeder muss für sich entscheiden, was er will. Das Gewicht ist nicht zu unterschätzen, wenn man den ganzen Tag mit der Kamera in der Hand unterwegs ist.

    1. Hallo Andreas!

      Vielen Dank für deinen Beitrag. Ich denke, gerade die Entscheidung, zwischen „praktischen Allround-Zooms“ und lichtstärkeren Objektiven ist eine Frage, mit der sich viele Reisefotograf:innen beschäftigen …
      Ich selbst nutze übrigens auch seit vielen Jahren ein 70-200mm f/2.8 und bin nach wie vor begeistert davon – nur nicht vom Gewicht. 😉

      Herzliche Grüße
      Thorge

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