Reisefoto des Monats: „Reiter beim Holla Mohalla Fest“

Die Lang-Fassung 

Wie versprochen, kommt diesmal das „Reisefoto des Monats“ auch wirklich pünktlich zum Start des neuen Monats und ist damit erheblich schneller am Start, als beim letzten Mal. Kein Aprilscherz. 😉
Dieses Foto stammt ebenfalls von meiner letzten Indien-Reise, und zwar vom s.g. „Holla Mohalla“ Fest der Sikh in Anandpur Sahib. Die Sikh werden gerne als Hindus vereinnahmt. Das ist jedoch nicht richtig, da es sich um eine eigene Religionsgemeinschaft handelt. Sie entstand im 15. Jahrhundert n. Chr. und geht auf den Gründer Guru Nanak Dev zurück. Der Sikhismus hat rund 25 – 27 Millionen Anhänger weltweit, die meisten davon im Indischen Bundesstaat Punjab, wo (seit 1680) auch das Holla Mohalla Fest gefeiert wird. Es ist eine ausgesprochen interessante, in vielerlei Hinsicht einzigartige Religion, die sich nicht an der Einhaltung religiöser Dogmen orientiert, sondern das Ziel hat, religiöse Weisheit für den Alltag praktisch nutzbar zu machen. Gerade bei ihrer  Gründung war sie gegenüber den dominierenden religiösen Traditionen ihres Zeitalters, wie Buddhismus, Hinduismus und Islam, in mancher Hinsicht regelrecht „revolutionär“. Aber, dies soll kein Artikel über den Sikhismus werden, sondern über das Reisefoto des Monats. So viel aber noch: Beim Holla Mohalla kommen die Sikh zu Tausenden zusammen, um sich in Trainingskämpfen miteinander zu messen, und ihren Mut und ihre Wehrhaftigkeit und Geschicklichkeit zu demonstrieren. Das passiert u.a. bei Kunststücken auf galoppierenden Pferden …

Das Fest kulminiert gewissermaßen mit diesen „Pferderennen“ oder besser den Reiterkunststücken, die am zentralen Tag des Holla Mohalla auf einem großen Platz, vor einer Tribüne mit viel Publikum, vorgeführt werden. Bereits bevor dieser Teil los geht, sind viele Menschen auf dem Platz unterwegs. Nahezu alle Protagonisten tragen die traditionelle blaue Tracht, große Turbane und Waffen. Es ist ein grandioses Spektakel, wenn die einzelnen Verbünde der Sikh auf dem Platz einziehen, mit ihren Jeeps, Pferden und manchmal sogar Elefanten! Immer wieder bilden sich Gruppen, wo einzelne oder mehrere ihre Kampfkünste eindrucksvoll zur Schau stellen. Und natürlich ist das Ganze ein „El Dorado“ für Fotografen! Allerdings ist das Timing nicht gerade auf Fotografen abgestimmt, denn: Es geht mittags los! D.h., das Licht ist gelinde gesagt schwierig: Harte Schatten, ausgewaschene Farben … Hätte ich mir etwas wünschen können, dann sicher eine Verschiebung in den Nachmittag. Aber, wie sagen wir doch hier in Köln „Ett kütt, wie et kütt.“ (Es kommt wie es kommt.) Und manchmal muss man eben das beste draus machen. Wenn ich noch einmal hin fahre (was sehr wahrscheinlich ist), nehme ich auf jeden Fall einen Aufhellblitz mit. Neben dem „schwierigen Licht“, gibt es noch eine weitere Schwierigkeit, die diesen Teil der Veranstaltung zur Herausforderung macht: Das Gewusel auf dem Platz. Es ist nahezu unmöglich, eine Person vor einem „freien Hintergrund“ zu porträtieren, da ständig jemand oder etwas im Hintergrund ist oder auftaucht. Aber, ich habe ja kein Porträt ausgewählt, sondern ein Foto von dem „Pferderennen“.

Es geht los und ist (noch einmal) nichts für „Weicheier“

Warum schon wieder das Thema „Weicheier“? Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sind seit Stunden in der prallen Hitze auf dem Platz, es gibt viel zu sehen, es ist anspruchsvoll gute Fotos zu schießen und es wird immer voller. Auch Reiter tauchen inzwischen mit ihren Pferden auf und stolzieren langsam und majestätisch über den Platz.
Und dann, wie aus dem Nichts, geht es plötzlich los: Ohne wahrnehmbare Vorwarnung beginnt das „Pferderennen“! Die Sikh scheinen zu wissen, wo es lang gehen wird, denn plötzlich entsteht eine schmale Gasse, und ehe Sie sich versehen, donnert der erste Reiter quasi haarscharf an Ihnen vorbei! Vergessen Sie Dinge, wie „Absperrungen“, „Sicherheitsabstand“ und dergleichen Deutsche Ideen. Hier geht es einfach zur Sache und das heißt: Augen auf und Obacht, denn von jetzt an, ist jeder für sich selbst verantwortlich! Eine Möglichkeit ist natürlich auf Distanz zu gehen. Aber, dann bekommen Sie kein gescheites Bild! Die Menge wogt dicht gedrängt an den Rändern in Richtung der (unsichtbaren) „Rennbahn“, sobald ein Reiter vorbei gedonnert ist, und erst im (aller)letzten Moment weicht sie wieder zurück, bevor der nächste Reiter in rasantem Galopp hindurch brettert. Ich muss plötzlich an historische Schlachten denken, und wie sich die Fußsoldaten gefühlt haben müssen, wenn die Kavallerie angriff. Mein Körper produziert Adrenalin, als ginge es um Leben und Tod, und vielleicht hat er die Situation schneller verstanden, als ich!? Mein Verstand fokussiert sich nämlich auf ein anderes Problem: Wie bekomme ich ein „freies Schussfeld“, um die Reiter zu fotografieren? Nur, wenn ich ebenfalls „mitwoge“ und mich quasi mitten auf die (imaginäre) Rennbahn stelle, sodass die Reiter direkt auf mich zu galoppieren. Und dann muss ich wieder rechtzeitig in Deckung sein, damit ich nicht überrannt werde. Puh, ein heikles Unterfangen … Noch während mir diese Gedanken durch den Kopf rasen, wird wenige Meter vor mir ein Mann von einem vorbei galoppierenden Pferd erwischt und bliebt regungslos liegen. Sofort wird ihm geholfen. Will ich das wirklich riskieren? Wer mich kennt, kennt auch die Antwort: Ich versuche den Spagat aus „Chance nutzen“ und „riskier nicht deine Gesundheit“. Die nächsten Reiter kommen bereits und werden von der Menge angefeuert. Ich versuche in den kommenden Minuten, meinen „Rhythmus“ zu finden. Das Ganze – auch das Risiko – hat etwas Berauschendes …
Zwischendurch rufe ich mich selbst wieder zur Ordnung und ändere meine Strategie: Ich gehe jetzt nicht mehr auf die „Rennbahn“, sondern versuche vom Rand der Zuschauer die Reiter als Mitzieher zu fotografieren, wenn sie an mir vorbei donnern. Ich kann nur hoffen, dass ein gelungenes Bild dabei ist. Denn, um die Einstellungen / Bilder zu kontrollieren, fehlt mir die Zeit. Einerseits muss ich ständig aufpassen, nicht überritten zu werden. Andererseits fürchte ich, dass das Spektakel jeden Moment vorbei sein kann. Als es schließlich zu Ende geht, bin ich immer noch total aufgekratzt und brauche einige Zeit, um „runter zu kommen“. Ich laufe ziellos über den sich leerenden Platz, und die Bewegung hilft mir, mein Adrenalin abzubauen …

Was macht die Aufnahme fotografisch anspruchsvoll?

So habe ich meine Einstellungen gewählt:

Wie oben bereits beschrieben , hatte ich kaum Zeit, mir Gedanken zu machen, weil mich der Start des „Pferderennens“ weitgehend überrascht hat. In den (gefühlten) Sekunden, entschied ich mich jedoch dafür, mit Verschlusspriorität (Blendenautomatik) zu fotografieren. Mit einer besonders kurzen Verschlusszeit wollte ich die Action einfrieren, was im Bildbeispiel ja auch gut gelungen ist. Die Kamera hat in dem Fall Blende f/2.8 gewählt. Im Bild bringt das jedoch keine besonders geringe Tiefenschärfe, da ich mit 25mm bereits stark im Weitwinkelbereich unterwegs war. (Den Zusammenhang habe ich hier mal in einem Beitrag erklärt.) Etwas später entschied ich mich dann dafür, mit der Verschlusszeit runter zu gehen, um noch Bilder zu machen, die die Action / Bewegung / Energie mehr sichtbar zu machen. Ich bleibe hier aber meinem Grundsatz treu, jeweils nur ein Bild vorzustellen … 😉

Der „Bildersteckbrief“ (Die Kurzform für Eilige)

Wann und wo entstanden?

Warum ausgesucht?

  • Dramatik / Action
  • Herausfordernd
  • Aktualität

Die Technischen Details des Fotos

Noch ein Eindruck gefällig?

Die Atmosphäre und Energie des Pferderennens beim „Holla Mohalla“ in einer einzigen Aufnahme einzufangen ist eine Herkulesaufgabe. Ich habe dort aber nicht nur fotografiert, sondern mit meiner Nikon Z6 auch gefilmt. Aus den Aufnahmen habe ich hier ein kurzes Video zusammengeschnitten:

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