Aldous Huxley über Vorurteile

Reisen bedeutet herauszufinden,
dass alle Unrecht haben mit dem,
was sie über andere Länder denken.“

Aldous Huxley

Auf den Punkt gebracht

Diese Zitat von Aldous Huxley hat mir schon immer gefallen, und ich habe es immer im Hinterkopf behalten, um es bei einer passenden Gelegenheit zu teilen/nutzen.

Ramadan - Jama Masjid - Delhi
Ramadan – Jama Masjid – Delhi

Die scheint mir nun gekommen. Mein Bild der betenden Menschen in der Jama Masjid, der größten Moschee Indiens (und eine der größten der islamischen Welt), ist zum Ende des Fastenmonats Ramadan entstanden. Der richtige/volle Name lautet übrigens Masjid-i Jahan Numa, und bedeutet Moschee, die die Welt zeigt. Ich war damals nach der ersten, von mir organisierten Tiger- & Wildlife-Fotoreise in Zentralindien noch nach Delhi gekommen, und wusste, dass ich zum Ende des Ramadan dort sein würde. Die Jama Masjid hatte ich schon öfter bei früheren Reisen besucht und fotografiert. Das Bild, das ich heute hier vorstelle, war bereits in meinem Kopf und ich hatte vor, zum Abschlussgebet dort zu sein. Ich konnte jedoch nicht einschätzen, ob ich als Nicht-Muslim an diesem besonderen Tag (und zu dieser besonderen Zeit) überhaupt Zugang bekommen würde. Daher sprach ich schon früh mit meinem muslimischen Freund Ash darüber, dass ich diesen Plan hätte. Da ich ohnehin bei ihm in Delhi übernachtete, er selbst ein begeisterter (und talentierter) Fotograf und gläubiger Muslim ist, konnte er sich für meinen Plan ebenfalls begeistern. Ash und seine Familie leben ein wenig außerhalb von Delhi, sodass sie üblicherweise in eine andere, nähere Moschee zum Beten gehen. In der Jama Masjid waren sie zum Gebet am Endes des Ramadan auch noch nie gewesen. Wir waren uns aber bei der Einschätzung einig, dass es vermutlich sehr voll werden würde!

Dress for the occasion

„Dress for the Occasion“

Ash schlug vor, dass ich mich für den Anlass passend kleiden könnte. Mir gefiel die Idee, auch weil ich dachte, dadurch eine Art Respekt zeugen zu können. Und so zogen wir mit seinem Bruder Shahid los und gingen Kurtas shoppen. Tatsächlich fühlte ich mich dann später in meinem, dem Anlass angemessenen Outfit ich nur passend angezogen, sondern auch sehr wohl. Wie sich herausstellte, spielte meine Kleidung für den Zugang zur Moschee allerdings wohl keine Rolle, denn außer mir waren noch andere Fotografen, wie z.B. Art Wolfe, gekommen, und die trugen ihre übliche westliche Kleidung.

Was macht die Aufnahme fotografisch interessant?

Ich würde sagen, die Aufnahme lebt nahezu allein vom Motiv. Es ist ein gutes Beispiel für das, was ich auch ausführlich in meinem Buch propagiere: Bereits vor der Reise recherchieren, und dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Wenn das gelingt, hat man oft schon die halbe Miete für ein gutes Bild, und muss lediglich aufpassen, dass man es nicht versaut.

Herausforderungen?

Mal abgesehen von der Recherche und Planung, war es wichtig, möglichst früh vor Ort zu sein. Denn die Jama Masjid soll 25.000 Gläubigen zum Gebet Platz bieten, an diesem Tag waren aber geschätzt mehr als 30.000 Menschen gekommen! In der Moschee selbst gab es kein Bisschen Platz mehr zum Gebet, als wir dort eintrafen. Bereits vor der Moschee hatten hunderte, vielleicht tausende Menschen ihre Gebetsteppiche auf den Stufen zum Eingang und sogar auf der Straße ausgebreitet, um dort zu beten. Und so war es gar nicht so einfach, überhaupt einen Weg durch die Menschenmenge hindurch, hinein in die Moschee zu finden! Endlich dort angekommen, kam die nächste Herausforderung: Ich musste durch einen gefühlt winzigen Eingang in einen dunklen Treppenaufgang, in dem sich bereits viele Menschen drängten, und zu dem Zeitpunkt gerade schubsten und anschrieen. Nicht gerade sehr einladend. Aber, auf den letzten Metern scheitern? Kommt nicht i n Frage, sagte ich mir und schob mich mit hinein. Der Treppenaufgang war nur kurz und oben auf der Mauer, wieder im Freien, entspannte sich die Lage fast sofort. Letztlich ging es jetzt nur noch darum, eine gute Position zu finden. Da ich die Aufnahme quasi vor-visualisiert hatte, wusste ich, wo ich hin wollte und hatte bereits im Vorfeld mein Weitwinkel-Objektiv (14-30mm) angesetzt, um die gigantischen Ausmaße der Szenerie einigermaßen transportieren zu können. Ich entschied mich dafür, eine noch etwas höhere Perspektive zu erreichen, in dem ich die Kamera soweit wie möglich über meinen Kopf hielt. Dabei sah ich auf dem Klappdisplay der Z8 immer noch, was ich tat und konnte so die Komposition ziemlich sauber gestalten. Ich wählte Blende f/11, um eine möglichst gute Tiefenschärfe zu bekommen und legte den Fokuspunkt auf eine Distanz zwischen dem ersten und zweiten Drittel meiner Komposition (Hyperfokale Distanz). Jetzt musste ich nur noch still halten, denn mit Blende f/11 kam ich auf eine 1/25 Sekunde (bei ISO 560). Natürlich machte ich eine ganze Reihe Aufnahmen an dem Morgen und variierte dabei Standort und Perspektive. Diese hier gefiel mir aber von allen am besten.

Und was hat das mit dem Zutat von Aldous Huxley zu tun?

Wussten Sie, dass Indien das Land mit der zweitgrößten muslimischen Bevölkerung ist?

Mit über 1,4 Milliarden Menschen hat Indien inzwischen China als bevölkerungsreichstes Land der Erde überholt. Von dieser unglaublichen Zahl werden ca. 80 % dem Hinduismus zugerechnet. Nun ist der Hinduismus nicht eine Religion, sondern besteht aus vielen unterschiedlichen Strömungen (wie ja die meisten so genannten Weltreligionen). Tatsächlich ist der Hinduismus damit zahlenmäßig auch die drittgrößte Religionsgemeinschaft der Welt – mit großem Abstand zur nächsten Gruppe, dem Buddhismus. Und der Hinduismus prägt natürlich auch maßgeblich unser Bild von Indien.
Doch die Muslimen in Indien machen mit 13 % die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe im Staat aus, das entsprach im Jahr 2020 einer Zahl von 213.340.000 (Statista.com).
Tatsächlich kam der Islam bereits im 7. Jahrhundert nach Indien. Arabische Händler und Seefahrer, die entlang der westlichen Küste Indiens Handel trieben, brachten den Islam in die Region. Die Ausbreitung des Islam wurde durch die muslimischen Invasionen und die Gründung von Sultanaten wie dem Delhi-Sultanat im 12. und 13. Jahrhundert weiter verstärkt. Später spielte das Mogulreich, das im 16. Jahrhundert gegründet wurde, eine bedeutende Rolle in der Geschichte des Islam in Indien. Seit seiner Einführung hat der Islam zahlreiche bedeutende Beiträge zur Kultur und zum sozialen wie politischen Leben Indiens beigetragen. Allein das Taj Mahal hätte es ohne den muslimischen Herrscher Shah Jahan nie gegeben, um nur ein prominentes Beispiel zu nennen. Und auch die Jama Masjid in meinem Bild wurde von Shah Jahan erbauen lassen und 1656 in Shahjahanabad eröffnet, dem heutigen Old Delhi.


Details zum Bild

  • Wo aufgenommen: Jama Masjid (Große Moschee) in Delhi, Indien
  • Wann aufgenommen: 11. April 2024
  • Kamera: Nikon Z6
  • Objektiv: Nikon Z 14-30mm f/4
  • Brennweite: 14 mm
  • Blende: f/11
  • Verschlusszeit: 1/25 s
  • ISO: 560

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