Bildvorstellung: Ulrich Wolf – Frau mit Kind und Tschador

Warum ich dieses Reisefoto ausgesucht habe …

Dieses Foto von Ulrich Wolf ist auch Teil seiner aktuellen Ausstellung „Querschnitt“ im Bürgermeisterhaus in Essen. Die Ausstellung läuft noch bis 26.09.2019. Infos dazu gibt es hier …
Das Foto hat Uli während einer IRAN-Fotoreise im Oktober 2018 gemacht, die ich organisiert habe. Ich habe das Bild aber bei der Eröffnung seiner Ausstellung in Essen zum ersten Mal gesehen und war auf Anhieb begeistert! Das Foto ist während des „Ashura“ Festes in Shiras entstanden, und aus meiner Sicht hat Uli hier einen „perfekten Moment“ gefunden. Henri Cartier-Bresson sprach vom „decisive moment“. Ich habe lange nicht mehr so ein intensives „Mutter-Kind-Bild“ gesehen.

Was mir besonders an dem Bild gefällt …

Uli ist mit seinem Foto sowohl eine hervorragende Komposition geglückt, als auch ein Bild aufzunehmen, das „eine Geschichte erzählt“. Letzteres ist aus meiner Sicht oft ein Gütekriterium für ein gelungenes Reisefoto, weil wir dann länger bei dem Bild verweilen.
Warum finde ich die Komposition perfekt? Zum einen hat Uli mit seinem 85mm Objektiv und Blende f/1.8 den Hintergrund wunderbar weich gezeichnet, sodass (nahezu) nichts vom eigentlich Motiv ablenkt: Der Junge und seine Mutter, vor einem türkisfarbene Hintergrund. Dabei blickt der Junge mit einer unglaublichen Intensität und einem, nicht ganz leicht zu entschlüsselnden Ausdruck, direkt in die Kamera und damit direkt in unsere Augen. Wohl jeder Betrachter beginnt bei dem Gesicht des Jungen das Bild zu erfassen. Dann wandert unser Blick vermutlich kurz nach rechts und über die Linie seines Arms wieder zurück zum Gesicht. Auch am unteren Bildrand lässt uns Uli mit seiner Komposition „nicht entkommen“. Das Schwarz des Tschador wirkt wie ein Bollwerk. Hier geht es nicht weiter und von links unten führt uns die Linie des Tschador wieder zurück zu diesem Jungen, mit seinem schwer zu definierenden Gesichtsausdruck. Der türkisfarbene Hintergrund ist eine perfekte Ergänzung, denn die kühle Farbe gibt dem eigenartigen Gesichtsausdruck und der geheimnisvollen Komposition noch eine Kühle Note, die zu einer geheimnisvollen Atmosphäre führt. Es ist in meinem Augen ein brillantes Foto. Allerdings sicher kein „Wohlfühl-Bild“ und insofern könnte es – trotz der „Genialität“ – schwer werden einen Käufer dafür zu finden. Ich wünsche Uli viel Glück dabei und beglückwünsche einen potenziellen Käufer für sein gutes Auge.

Es ist ein Bild das beim Betrachter Fragen auslöst …

  • Was bedeutet der Ausdruck des Jungen? Hat er Angst, ist er wütend oder einfach nur müde?
  • Was denkt er über den Betrachter (Fotografen)? Welche Gefühle hat er für ihn / uns?
  • Wo ist diese (offensichtlich muslimische) Frau mit dem Kind? In welchem Verhältnis stehen sie wohl zueinander und was geht dort vor sich?
  • Wie sieht sie aus? Welchen Block hätte sie, wenn sie uns sehen würde?
  • Welche Gefühle und „Projektionen“ löst dieses Bild bei mir als Betrachter aus?
  • Usw..

Was man von dem Bild lernen kann …

Stellen Sie sich vor, dass tausende Menschen zum Ashura Fest nach Shiras gekommen sind und sich also gewissermaßen endlose Möglichkeiten für Bilder bieten. Jedoch ist es vor allem meist ein „Gewusel“ von Menschen. Uli hat hier einen Moment / ein Motiv heraus gepickt, der / das fast „aus der Zeit gefallen“ scheint. Sein Bild könnte auch aus einem Film stammen. Es lohnt sich also, bei solchen Festivals auf die kleinen Momente und Chancen zu achten, die sich vielleicht ergeben. Seine Wahl, mit einem 85mm Objektiv los zu ziehen zeigt schon ein wenig seine Absicht: Uli wollte hier vermutlich weniger „das Festival an sich“ zeigen, als eher diese „magischen Momente“ finden. Eine gute Wahl! Solche Momente ergeben sich mit unter ganz plötzlich. Wenn das der Fall war, hat Uli hervorragend reagiert und so diesen besonderen Moment eingefangen. Das wäre nur möglich, wenn er auch sehr „wach“ und schussbereit unterwegs gewesen wäre. Es kann aber auch noch eine andere Möglichkeit geben: vielleicht hat Uli die Frau mit dem Jungen auch schon vorher beobachtet, möglicherweise sogar unauffällig „verfolgt“, weil er ahnte, dass sich ein perfektes Bild ergeben könnte. In beiden Fällen ziehe ich meinen Hut und das Ergebnis adelt den Fotografen mit seinen Bemühungen!

Die Details zum Bild

One Reply to “Bildvorstellung: Ulrich Wolf – Frau mit Kind und Tschador”

  1. Ein wirklich tolles Foto – hat mich schon in seiner Ausstellung in Essen sehr begeistert!
    Ich wüsste wirklich zu gerne, was der kleine Kerl denkt, aber auch, wie die Frau aussieht.

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